Viele Jahre war der Ostbahnhof am Danziger Platz einer der desolatesten Orte Frankfurts: Der weitgehend fensterlose 1960er-Jahre-Bau, durch dessen Hauptausgang noch immer die S-Bahn-Fahrgäste laufen mussten, war rundrum verrammelt, zugebrettert und von wachsenden Müllhaufen gesäumt. Die Wand der Westseite musste abgestützt werden, an der graffitiübersäten Klinkerfassade im Obergeschoss hat sich noch der einst hier angebrachte “DB-Keks” abgezeichnet – dieses Logo wurde 1993 in Ruhestand geschickt. Und seit etwa dieser Zeit haben am Bahnhof, zu dem noch eine Wohnvilla des 1913 eröffneten Ursprungsbaus gehört, keine Instandhaltungsarbeiten mehr stattgefunden. Die Station, an deren Südausgang man zur Europäischen Zentralbank gelangt, wurde nach und nach ins Innere des Bahndamms verlegt und der DB-Corporate-Identity der 1990er Jahre angepasst. Das eigentliche Bahnhofsensemble am Danziger Platz hatte die Bahn längst an einen Investor verkauft. Es folgten die üblichen Besitzerwechsel und Neuplanungen. Nun hat der aktuelle Eigentümer, die Hotelkette Premier Inn Germany, Tabula Rasa geschaffen: Nach längeren Vorarbeiten wurden Ende Januar 2023 das Empfangsgebäude, eine Wartungshalle sowie das historische Wohnhaus abgerissen.
Das kühne, betont funktionalistische Empfangsgebäude des Ostbahnhofs entstand 1961/61 nach Plänen des DB-Architekten Karl Radlbeck. In der ehemaligen Gaststätte befand sich ein Mosaik, das der Frankfurter Künstlerin Lina von Schauroth (1874-1970) zugeordnet wird. Von ihr stammen unter anderem die Chorfenster in der Alten Nikolaikirche am Römerberg. Nachdem das Denkmalamt das Mosaik bereits 2008 gesichtet hatte, als der Bahnhof noch gelegentlich für semi-legale Parties geöffnet wurde, steht es 2021 unter Schutz. Vor dem Abriss des Radlbeck-Baus wurde es gesichert und soll nun restauriert werden. Es soll im kommenden Hotelneubau – für den noch kein Baubeginn avisiert ist (!) wieder verbaut werden. Die Hotelkette sei sich der Bedeutung des Kunstwerks bewusst, heißt es. Offen bleibt vorerst aber die Frage, ob man sich nach der Ruinenlandschaft nun an eine Brache am Danziger Platz gewöhnen muss. (db, 12.2.23)
Frankfurt, Abriss des Ostbahnhofs, Januar 2023 (Bild: Ostendfaxpost, CC BY-SA 4.0)
