1916 entstand in Rechlin nahe der Mecklenburgischen Seenplatte eine Flieger-Versuchs- und Lehranstalt, Mitte der 1930er Jahre erwuchs daraus die Zentrale Erprobungsstelle der deutschen Luftwaffe. Dort, auf einem Areal von 120 Quadratkilometern, wurden neue Flugzeuge, Bomben und technische Ausrüstungen erprobt. So fanden hier 1939 die ersten Testläufe mit dem Strahlflugzeug Heinkel He 178 statt. Bei der Erprobung des Düsenflugzeugs Heinkel He 280 V1 kam es im Januar 1943 zum ersten Schleudersitzausschuss der Luftfahrtgeschichte. Ende des Zweiten Weltkrieg waren die meisten Einwohner aus Rechlin geflüchtet, das Versuchsgelände wurde von sowjetischen Truppen übernommen, fortan galt es als Sperrgebiet. 1993 verließ die Rote Armee das Areal, aus den ehemaligen Offiziershäusern wurden Einfamilien- und Doppelhäuser. Das bizarrste Relikt des Luftwaffen-Erprobungsstelle liegt heute in einem gut 75 Jahre altem Wald: die “weißen Häuser”. Vier Betontürme, die eigens für den Beschuss mit Waffen aller Art errichtet wurden. Sie sollten Vorbild der Treppenhäuser für die Germania-Planungen sein. In der Speer´schen neuen Hauptstadt sollten besonders bombensichere Gebäude entstehen. Die Weißen Häuser und etliche weitere Betonbauten wurden in inszenierten Luftangriffen unter Beschuss genommen, vermutlich bis Kriegsbeginn 1939.

Der Heimatforscher Thomas Linn aus dem nahen Qualzow setzt sich dafür ein, dass die Reste der Anlagen unter Denkmalschutz gestellt werden. Ausschlag gegeben hatte das Vorhaben, auf einer alten Bombenabwurfplatte nahe des Orts einen Funkturm zu errichten. Dieses Bauvorhaben sei mittlerweile jedoch vom Tisch, hieß es kürzlich in der Stadtvertretung. Denn derzeit läuft tatsächlich die Prüfung von vier Objekten auf Aufnahme in die Denkmalliste: die ebenjener Bombenabwurfplatte, des Autobahnsegments, der „Weißen Häuser“ und des Spitzbunkers. Angeschoben hat den Prozess ein Bürgerbegehren, Thomas Linn hat als Privatperson Antrag auf Prüfung der Denkmalwürdigkeit gestellt. In der Landesbehörde Schwerin ist man von der Denkmalwürdigkeit der Bauten überzeugt: So hat das Landesamt bereits im Januar 2022 bei der Unteren Denkmalschutzbehörde der Seenplatte um Eintragung der Objekte in die Denkmalliste gebeten. Vom Landkreis heißt es, dass der Vorgang noch nicht abgeschlossen sei. Zum jetzigen Zeitpunkt könne lediglich mitgeteilt werden, dass „das denkmalrechtliche Verfahren in den genannten Fällen läuft“. Bis wann dieses zum Abschluss gebracht werden soll, wurde nicht mitgeteilt. (db, 16.11.22)

Rechlin, “Weiße Häuser” (Bild: Smmagran, CC0)

Rechlin, "Weiße Häuser" (Bild: Smmagran, CC0)

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