Eine Utopie ist, streng nach Wortsinn aus dem Altgriechischen übersetzt, ein Un-Ort. Solche Zukunftsvisionen beziehen ihren besonderen Reiz gerade daraus, dass sie nicht auf eine Verwirklichung hin angelegt sind. Eigentlich, denn im 20. Jahrhundert wollte man große utopische Konzepte immer wieder mithilfe von Architektur auf den Boden der Tatsachen zwingen – oder zumindest von der grundsätzlichen Möglichkeit überzeugen, dies zu tun. Solche Prozesse stehen im Mittelpunkt einer neuen Publikation, die aktuell bei Dom Publishers erschienen ist. Unter dem Titel „Utopie, Diktatur und Raum“ untersucht die Autorin Isabella Cramer „Architektur als Herrschaftsinstrument im 20. Jahrhundert“.
Dafür hat sie Beispiele der Architekturmoderne aus der UdSSR, aus Nazi-Deutschland, aus der DDR und aus Rumänien unter Ceaușescu näher unter die Lupe genommen. Cramer studierte Kunstgeschichte, Psychologie und Pädagogik in München, Halle und Venedig. Mit dem Buch „Utopie, Diktatur und Raum“ legt sie ihre kunsthistorische Promotion in gedruckter Form vor. Seit Anfang 2021 arbeitet sie bei einem Münchener Auktionshaus. In ihrer Publikation arbeitet sie anhand der vier gewählten Untersuchungszeiträume heraus, dass und wie Architektur an der Repräsentation und Konstruktion der Gesellschaft mitwirkt – und wie sie von Machthaber:innen immer wieder instrumentalisiert wurde. (kb, 14.6.23)