In Biedenkopf im Nordwesten Hessens soll das 1970 eingeweihte Bürgerhaus samt Parkhotel abgerissen werden. Aus den üblichen Gründen: Sanierungsstau, zu groß/ zu klein, Schimmel, Asbest, Brandschutz, Technik, Fluchtwege undsoweiterundsofort. Noch steht das Gebäude, doch bereits im vergangenen Jahr wurde die Einrichtung in einer Online-Versteigerung verkauft. Zu den feilgebotenen Objekten gehörte auch das seit den 1990ern hinter einem Vorhang verdeckte, 14 Meter breite und 4,85 Meter hohe Wandbild im großen Saal. Die Betreiber des Gießener Design- und Möbelgeschäfts Design Total haben das faltbare Objekt ersteigert. Vorgesehen hatten sie es als Rückwand für einen Messestand. Nach der Abholung hatten die Käufer die Urheberschaft des nicht signierten Kunstwerks recherchiert – und festgestellt, dass sie offenbar das letzte Werk des in Gießen geborenen Künstlers und Bühnengestalters Hein Heckroth (1901-1970) ersteigert haben. Heckroth studierte am Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt und wurde nach ersten Ausstellungen als Zeichner Bühnengestalter unter anderem in Frankfurt, Berlin, Dresden und Wien. 1933 ging er mit seiner jüdischen Frau Ada ins Exil, wo er als Filmausstatter international bekannt wurde: 1949 erhielt er für den Tanzfilm „The Red Shoes“ einen Oscar.

1956 kehrte Hein Heckroth auf Anfrage von Harry Buckwitz als Ausstattungschef der Städtischen Bühnen Frankfurt mit seiner Frau nach Deutschland zurück. Er starb am 6. Juli 1970 auf dem Bahnhof Alkmaar an einem Herzinfarkt – das Bild fürs Bürgerhaus Biedenkopf war noch unvollendet. Dies übernahm der befreundete Hermann Haindl (1927-2013). Aus diesem Grund blieb das Werk wohl auch unsigniert. Heckroth als Urheber zu identifizieren, habe intensive Recherche erfordert, berichteten die Käufer der Gießener Allgmeinen. Im Oberhessischen Museum Gießen fanden sich schließlich fünf Heckroth-Entwurfsskizzen mit dem Vermerk „Bürgerhaus Biedenkopf“. Der Kontakt mit der Familie brachte Klarheit: Der Frankfurter Architekt Hansjörg Kny, der das brutalistische Bürgerhaus entwarf, hatte Heckroth beauftragt. Eigentlich war alles kein Geheimnis. Dass die Geschichte nun aber, nur 53 Jahre nach Einweihung des Bürgerhauses, neu recherchiert werden musste, sagt einiges über das Desinteresse, das die Verantwortlichen dem Bau in den vergangenen Jahren offenbar entgegenbrachten. Die Hein-Heckroth-Gesellschaft und die neuen Besitzer überlegen nun, wo und wie das Kunstwerk dauerhaft präsentiert werden kann. Eine erste Gelegenheit dazu dürfte es ab 23. Mai 2024 anlässlich einer Ausstellung im Rahmen der Gießener Kulturnacht geben. Kommen Sie in den Hüttenweg 8, 35398 Gießen. (db, 4.4.24)

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