Eine gute Ausstellung beginnt dieser Tage mit einem langen Text, besser noch mit einem Zitat von Bertolt Brecht. In diesem Fall ist es für Fotofreund:innen ein altbekanntes aus dem Jahr 1931: „Eine Fotografie der Kruppwerke oder der AEG ergibt beinahe nichts über diese Institute. (…) Es ist also ebenso tatsächlich Kunst nötig“. Oder kurz gesagt: Eine Architekturfotografie kann nicht die menschliche, die soziale eines Bauwerks erfassen, dafür braucht es Künstler:innen. An zwei Spielorten – dem Kunstraum München (Holzstraße 10 Rgb., 80469 München) und dem Scharaun in Berlin (Jungefernheidenweg 4, 13629 Berlin) – hat man sich von Brecht herausfordern lassen, die Produktion einer Fabrik medial sichtbar zu machen. Die gesamte Intervention – in Berlin vom 25. Juni bis zum 30. Juli 2023, in München noch bis zum 23. Juli 2023 – haben die Veranstalter:innen unter den Titel „Studio Stadt“ gestellt. Vertreten sind alle denkbaren Formen, von der Musik über Foto und Video bis zu Performances und künstlerischen Walks.
Als Kern des Problems arbeiten die Kurator:innen heraus, dass der Außenraum von Fabriken heute in Echtzeit von Videokameras überwacht wird, während sich die Arbeit selbst für Außenstehende fast unsichtbar im Reinraum vollzieht. Die künstlerischen Annäherungen, die das Wirken und Werken dennoch erlebbar machen wollen tragen, so wunderbare Titel wie „Helle Fabrik, Dunkelkammer Produktion“ oder “Eine Fotografie der Siemenswerke ergibt beinahe nichts über diese Institute. Es ist also ebenso Kunst nötig” (nach Brecht) oder „Siemensstadt 2.0“ (nach dem Werksgelände und Stadtteil, die den Berliner Kunstraum umgeben). Die Installation „You Can’t Judge a Factory by the Cover“ verbindet Bücher, Ton- und Videoaufnahmen und Materialien zu Industrie, Produktion und Fotografie. Und das Werk „Von Siemens-Plania zu Dong Xuan“ versteht sich als zeitgenössische Industriearchäologie, die unterschiedliche historische Nutzungsschichten von Produktionsarealen gegenüberstellt. (kb, 23.6.23)