Der Architekt Paul Posenenske (1919–2004) hatte 1968 große Pläne – er wollte mit seinem Neubau für die Kunsthochschule Kassel nicht weniger, als die gesellschaftlichen Umbrüche jener revolutionären Jahre auch architektonisch zu spiegeln: “Der ‘Institution Schule’ im Sinne eines ständigen Veränderungsprozesses muß eine ‘Bauform Schule’, die von vornherein als variable und flexible Struktur angelegt ist, entsprechen”, erklärte er 1969 zu seinem ambitionierten Konzept. Speziell die Kunsthochschule sah er als lebendigen Organismus, der fächerübergreifend mit neuen Medien kommuniziert und arbeitet. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Posenenske zunächst in Südhessen als Regierungsbaurat tätig, bevor man ihn 1958 an die Kunsthochschule Kassel berief. Geschätzt wurden seine Entwürfe für einen Funktionalismus, der das Beste aus Klassischer Moderne und International Style verband. Unter seinen Projekten finden sich öffentliche Bauten – vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach bis zu zahlreichen Schulbauten – ebenso wie Kirchenräume – von der Evangelische Kirche in Hassenroth bis zur horizontalen Teilung der Evangelischen Kirche in Limburg an der Lahn.

Kassel, ehemalige Werkkunstschule (Bild: privat, 2023)

Kassel, Kunsthochschule (Bild: privat, 2023)

Stahlskelett mit Leichtmetallelementen

In der historischen Karlsaue verwirklichte man den Nordbau der Kunsthochschule unter der Regie der Staatlichen Neubauleitung Kassel. Posenenske ließ sich dabei von seinen Mitarbeitern Bert Maecker, Herbert Krause, Emil Gugolz und Ferdinand Bayer unterstützen. Nach der Vorentwurfsplanung von 1960 bis 1962 und der Entwurfs-/Ausführungsplanung 1963/64 fand die Einweihung 1968 statt. Die Stahlskelettkonstruktion, in die Leichtmetallelemente für die Fassaden eingefügt wurden, war ganz bewusst auf Veränderung und Erweiterung hin geplant. Zu diesem ausgefeilten Konzept und seinem Entwerfer forschten Kasseler Studierende – unter der Leitung der Professoren Alexis Joachimides (Kunstwissenschaft) und Philipp Oswalt (Architekturtheorie und Entwerfen) – von 2021 bis 2022. Am Ende stand eine Präsentation in der neuen Ausstellungshalle, die man gerade an den Posenenske-Bau angefügt hatte.

Kassel, ehemalige Werkkunstschule (Bilder: Schnitt und Lageplan, Bildquelle: Bauen und Wohnen, 1969)

Kassel, Kunsthochschule (Bilder: Schnitt und Lageplan, Bildquelle: Bauen und Wohnen, 1969)

In Sorge um die Originalsubstanz

Posenenskes Erweiterung der Kunsthochschule ist, so das Urteil der Ausstellungsmacher:innen, “mit seinem differenzierten Raumgefüge, seiner hohen Variabilität und einer Atmosphäre der Leichtigkeit herausragendes Beispiel der Nachkriegsarchitektur.” Entsprechend stand 2022 im Mittelpunkt der Schau nicht nur die Entstehungsgeschichte, sondern ebenso die künftige Nutzung und Erhaltung der durchdachten Konstruktion. Denn aktuell wird eine energetische und bautechnische Sanierung geplant, die auch die so essenziellen Details von Konstruktion und Ausstattung betreffen wird. Expert:innen wie der Architekt Philipp Oswalt sind in Sorge, dass dabei prägende Elemente des geschützten Bauwerks verloren gehen könnten. Schon Ende letzten Jahres mahnte Oswalt gegenüber der Presse, ein wachsames Auge auf die Originalsubstanz dieses Baukunstwerks zu haben – und dafür auch “Mehrkosten in Kauf zu nehmen, um seine Gestalt zu bewahren“. Wie sich solche Maßnahmen denkmalgerecht und zugleich nutzungsfreundlich umsetzen lassen, zeigen Beispiele wie die Renovierung der Frankfurter Universitätsbauten von Ferdinand Kramer oder die Wiedereröffnung der Neuen Nationalgalerie in Berlin. (kb, 22.4.23)

Kassel, Kunsthochschule (Bild: YPS, gemeinfrei, 2005)

Kassel, Kunsthochschule (Bild/Titelmotiv: YPS, gemeinfrei, 2005)

Kassel, Kunsthochschule (Bild: privat, 2023)

Kassel, ehemalige Werkkunstschule (Bild: privat, 2023)

Kassel, Kunsthochschule (Bild: privat, 2023)

Literatur und Quellen

Posenenske, Paul/Zietzschmann, Ernst, Staatliche Hochschule für bildende Künste in Kassel, in: Bauen und Wohnen 23, 1969, S. 202–209.

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