Dass die Nibelungenbrücke in Worms ein bedeutendes Zeugnis der Ingenieurbaukunst der 1950er Jahre ist, fällt so richtig eigentlich nur in der Untersicht auf. Wer die Rheinbrücke, die Rheinland-Pfalz und Hessen verbindet, ebenedig passiert, sieht vor allem einen wuchtigen historistischen Turmbau: Der 53 Meter hohe “Nibelungenturm” gehörte zur 1897-1900 errichteten Ernst-Ludwig-Brücke. Am 20. März 1945 sprengte die Wehrmacht auf dem Rückzug den Stahlfachwerk-Bau. Im Herbst 1950 wurde der stark beschädigte zweite Turm auf der hessischen Seite bis auf Fahrbahnhöhe abgerissen. Wenige Monate später startete der Bau einer neuen Brücke nach Plänen von Ulrich Finsterwalder und Gerd Lohmer, Eingeweiht wurde das nun Nibelungenbrücke getaufte Bauwerk am 30. April 1953, es war die erste im freien Vorbau errichtete Spannbetonbrücke Deutschlands. Seit 2008 wird sie flankiert von einem parallelen Brückenbau zur Entlastung. Eine Sanierung erfolgte 2008-2013. Die Bundesingenieurkammer hat den Pionierbau 2020 in die Liste der “Historischen Wahrzeichen der Ingenieursbaukunst iun Deutschland” aufgenommen.

Aller Ehren zum Trotz ist die Nibelungenbrücke aber noch immer im Bestand gefährdet: Sie ist erneut sanierungsbedürftig und dem gestiegenen Verkehrsaufkommen kaum mehr gewachsen, sodass ein Ersatzbau 2019 schon einmal angekündigt war – was umgehend durch die Auszeichnung der Ingenieurskammer beantwortet wurde. Einen wichtigen Schritt in Richtung Erhalt bedeutet es nun, dass das Gebäude in Abstimmung mit dem Bundesverkehrsministerium als Demonstrationsbauwerk für das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) initiierte, interdisziplinäre Schwerpunktprogramm „Hundert Plus“ ausgewählt wurde. Das Projekt, an dem verschiedene Hochschulen beteiligt sind, soll Methoden zur Zustandsbeurteilung, zur frühzeitigen Einleitung von Sanierungsmaßnahmen und zum Verlängern der Lebensdauer von Verkehrsbauwerken erarbeiten, die jenseits der üblichen standardisierten Richtwerte eine individuelle Vorgehensweise ermöglichen. Als Forschungsobjekt ist der Fortbestand der Nibelungenbrücke nun also vorerst gesichert. Um den Turm muss sich ohnehin niemand Sorgen: Er würde auch in einen Neubau integriert. (db, 1.7.22)

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