Das Erstaunlichste am Architekten Klaus Franz ist, dass er 1964 für den Deutschen Katholikentag vorschlug, die Altarplatte auf vier sanduhrförmige Eternit-Blumenständer zu legen. Das Bekannteste von Klaus Franz ist die Kirche Maria Regina (1967) in Fellbach. Ihr stumpfer, leicht aus der Achse gedrehter Eternitkegel wirkt wie ein singuläres Baukunstwerk, dem das Gemeindezentrum als betonsichtiger Quader zur Seite steht. In ihrer Disseration, veröffentlicht bei KIT Scientific Publishing, fragt die Architekturhistorikerin Anette Busse nach dem Kontext dieses vielbeachteten Entwurfs. Dafür weitet sie den Blick der Leser:innen auf das gesamte Schaffen von Franz, auf sein Verhältnis zum Brutalismus und zur römisch-katholischen Liturgiereform jener Jahre. Denn so ungewöhnlich die Fellbacher Kirche auch erscheinen mag, so klar lässt sie sich in eine architekturgeschichtliche Entwicklung eingliedern.

Wohnen und Beten

Der Architekt Klaus Franz, geboren 1923 in Wuppertal-Elberfeld, hinterließ ein ebenso beeindruckendes wie überschaubares Werk. Nach 1945 wurde er wegen einer im Krieg erlittenen Verwundung nicht zum Theologiestudium zugelassen. Stattdessen startet er zunächst ein Studium an der Kunstakademie Düsseldorf, absolvierte dann 1946 ein Praktikum beim Wuppertaler Architekten Heinz Rasch. In der Folge studierte er Architektur an der TH Stuttgart. Bei Günter Wilhelm wurde er 1952 freier Mitarbeiter, 1953 wissenschaftliche Hilfskraft und 1954 Assistent an der TH. In Stuttgart eröffnete er 1961 schließlich ein eigenes Büro.

Neben einzelnen Werken im Wohnungsbau – darunter das Wohnhaus Planck (1960) in Nürtingen und das Wohnhaus Schülen (1970) in Stuttgart – reüssierte Franz vor allem im römisch-katholischen Kirchenbau. Das Fellbacher Gemeindezentrum Maria Regina (1967), das viel von der Vorliebe für betonplastisches Arbeiten spüren lässt, gilt als sein Hauptwerk und wurde mit dem renommierten Hugo-Häring-Preis ausgezeichnet. Es folgten weitere kirchliche Projekte in der Umgebung: das Gemeindezentrum Don Bosco (1972) ebenfalls in Fellbach, das Gemeindezentrum St. Monika (1973) in Stuttgart-Feuerbach und das Gemeindehaus St. Martin (1974) in Bad Wimpfen. Zudem wirkte Franz als Lehrer an der TH Stuttgart und an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste, wurde 1975 zum Professor ernannt. Er verstarb 1999 in Stuttgart im Alter von 76 Jahren.

Zwischen Brutalismus und Liturgiereform

Nach ersten Arbeiten im Geist einer gemäßigten Moderne der Stuttgarter Schule ließ sich Franz vor allem von Le Corbusier und dessem freien Umgang mit dem Baustoff Beton anregen. In ihrer Publikation führt Busse die Leser:innen durch die damalige internationale und vor allem deutsche Diskussion um den Brutalismus. Daraus leitet sie Kernbegriffe ab, die ihr als Leitlinien für die folgende Analyse ausgewählter Franz-Bauten dienen. Für die Liturgische Bewegung und ihre räumlichen Vorlieben wird dieses Oeuvre mit Rudolf Schwarz und Dominikus bzw. Gottfried Böhm abgeglichen. Demnach hatte Franz keinen Sinn für immer neue andersartige Raumlösungen, was ihn bei Kichbauwettbewerben oft aus dem Rennen warf. Viel lieber entwickelte er eine einmal bewährte Form weiter, um etwas Allgemeingültiges zu schaffen.

Als Mitte der 1970er Jahre die massiven Betonbauten in Verruf kamen, war auch Franz kein gefragter Ansprechpartner mehr. Während gerade die Fellbacher Kirche zu ihrer Erbauungszeit starkte Beachtung fand, erlebte das Werk von Franz erst vor Kurzem eine kleine Renaissance, etwa 2003 mit einer Ausstellung in der Architekturgalerie am Weißenhof. Doch erst mit Busses Buch liegt nun ein vertiefender Blick auf ausgewählte Bauten und nicht zuletzt ein Werkverzeichnis vor, das auch bemerkenswerkte Wohnbauprojekte zeigt. Die Publikation besticht nicht nur auf inhaltlicher, sondern ebenso auf grafischer Ebene, angereichert mit umfangreichem, teils noch nicht veröffentlichtem Bildmaterial aus dem Franz-Nachlass im saai. Wer lieber analog durch das Werk blättert, kann dies als Print-on-demand bestellen, danben ist das Buch kostenfrei im Open Access als pdf zugänglich. (kb, 16.12.22)

Busse, Anette S., Im Spannungsfeld brutalistischer Strömungen und Liturgischer Bewegung. Bauten der Nachkriegsmoderne von Klaus Franz, KIT Scientific Publishing, Karlsruhe 2020, als Print-Ausgabe: Paperback, 448 Seiten, ISBN 978-3-7315-0969-1; als pdf-Download im Open Access: DOI, https://doi.org/10.5445/KSP/1000097559.

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