Sie ist eine Kirche wie viele andere: Im rheinischen Programm für “versetzbare Kleinkirchen” erhielt auch Ratingen-Eggerscheidt einen hölzernen Montagebau, genauer gesagt einen Typ A nach einem Entwurf von Markus Duncker. Dass solche Bauten als Wanderkirchen bezeichnet wurden, macht Sinn, denn für dieses Exemplar steht jetz schon der zweite Umzug an. Die Typenkirche wurde zunächst 1967 in Bonn-Holzlar (damals Gemeinde Hangelar) eingeweiht – und dort später ersetzt durch das Dornbusch-Gemeindezentrum. In der Folge versetzte man die Holzkirche 1975 nach Eggerscheidt. Hier hat man den Bau nach Sturmschäden im Jahr 2018 (vorübergehend) stillgelegt. Das weitere Schicksal der Systemkirche war jedoch offen. Nach dem langen Stillstand stellte die Gemeinde nun ihr Zukunftskonzept für die Zeltkirche vor. Im Oktober 2021 gibt die Gemeinde das Konzept bekannt, die anstehenden Sanierungsarbeit finanziell nicht bewältigen zu können und daher die Kirche ins LVR-Freilichtmuseum Lindlar zu versetzen.

Übergabe eines Bartning Klappaltars von der Ev. Kirchengemeinde Oberpleis an das LVR-Frelichtmuseum Kommern (Bild: Evangelische Kirchengemeinde Oberpleis, Zielke)

Übergabe eines Bartning Klappaltars von der Ev. Kirchengemeinde Oberpleis an das LVR-Frelichtmuseum Kommern (Bild: Evangelische Kirchengemeinde Oberpleis, Zielke)

Was für viele klassische Nachkriegskirchen schwierig oder unmöglich wäre, die Translozierung, hat bei Holzkirchen durchaus System. Schon Ende des 20. Jahrhunderts konnten so einige Fachwerkkirchen gerettet und in einem Freilichtmuseum neu aufgeschlagen werden. Eine der Bartning-Notkirchen (Typ Diasporakapelle) hat es in Overath bereits für die Architekturmoderne vorgemacht. Um den vielen Provisorien in Schulen und Wirtshäusern abzuhelfen, entwickelte der Architekt Otto Bartning das heute legendäre Notkirchensystem: kostengünstige, leicht transportable und montierbare Systembauteile wurden mit viel Eigenleistung zu einem Gottesdienstraum gefügt. Auf die äußerst erfolgreichen Typen A bis C folgte D, die „Diasporakapelle“ bzw. das „Gemeindezentrum“. Das Konzept wurde zwischen 1949 und 1953 insgesamt an 52 Orten umgesetzt. Der Innenraum konnte sowohl für ganz profane Veranstaltungen als auch – mit einer aufgeklappten Altarnische – für den sonntäglichen Gottesdienst genutzt werden.

links: Bauschema der Bartning-Notkirche Typ D; links: Typenmodell A (Bilder: links:

links: Bauschema der Bartning-Notkirche Typ D (Diasporakapelle); rechts: Typenmodell A (Duncker) des rheinischen Kleinkirchenprogramms (Bilder: links: historische Abbildung; rechts: kunst und kirche, 1960)

Viele Gemeinden lieben und nutzen diese multifunktionalen Baukunstwerke bis heute, so auch in Oberpleis. In Overath hingegen sah sich die Evangelische Gemeinde gezwungen, sich zugunsten eines Neubaus von ihrer Versöhnungskirche, einem Bartning Typ D, zu trennen. Daraufhin wurde der hölzerne Systembau in seine Einzelteile zerlegt und im Freilichtmuseum Kommern wieder zusammengesetzt. Hier gingen die Experten detailgetreu vor, suchten u. a. via Social Media nach den passenden Kacheln für den Sanitärbereich. Zur Innenausstattung trug die Evangelische Kirchengemeinde Oberpleis bei, die ebenfalls eine Barting-Diasporakapelle besitzt – und 2019 ihren zweiten Original-Bartning-Klappaltar an das LVR-Freilichtmuseum Kommern verschenkte. Nach dem Abriss einer anderen Notkirche hatte die Gemeinde in den 1960er Jahren das Sakralmöbel übernommen und wollte es jetzt einer sinnvollen Drittverwendung übergeben. Denn in Kommern wird gerade eine Bartning-Notkirche wiederaufgebaut. Die fertige Notkirche wurde in Kommern 2019 als Teil der Baugruppe „Marktplatz Rheinland“ eröffnet und damit größtenteils im Originalzustand von 1951 präsentiert – inkl. des geschenkten Klappaltars aus Oberpleis. Nachschub für weitere Freilichtmuseen dürfte reichlich vorhanden sein, denn aktuell stehen viele der hölzernen Kleinkirchen zur Disposition. (kb, 17.10.21)

Ratingen-Eggerscheidt, Ev. Kirche (Bild: vomhimmelhoch.de)

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