Das bekannteste Werk des Architekten Ossip (Joseph) Klarwein (1893-1970) ist das Israelische Parlamentsgebäude, die Knesset in Jerusalem, errichtet 1958-66. Dennoch ist der in Polen geborene, israelisch-deutsche Architekt heute in Europa nicht mehr sehr präsent. Eine Ausstellung in der Berliner Kirche am Hohenzollernplatz erinnert jetzt bis 25. Oktober an den Baumeister, dessen jüdische Familie nach der gescheiterten Russischen Revolution von 1905 nach Deutschland auswanderte. Der Ort ist nicht zufällig gewählt, denn der im März 1933 eingeweihte expressionistische Kirchenbau ist ein Entwurf Klarweins. Allerdings wird bis heute vor allem Fritz Höger als Urheber genannt: Klarwein arbeitete als Angestellter Chefarchitekt ab 1926 in dessen Büro, und den Gepflogenheiten folgend, wurde der Bau offiziell dem Chef zugeschrieben. Auch das vom Höger realisierte Rathaus Rüstringen-Wilhelmshaven (1928/29) geht wohl weitgehend auf Ossip Klarwein zurück.
Diese Erkenntnisse sind bereits ein Verdienst der Forschungsarbeit für die Ausstellung „Vom ,Kraftwerk Gottes‘ zur Knesset“ von Jacqueline Hénard, die mit einem Satz die erzwungene, abenteuerliche Zerrissenheit der Lebensgeschichte des avantgarde-Architekten zusammenfasst: „Der zukünftige Atheist Ossip Klarwein wird Architektur studieren und zum Katholizismus konvertieren, er wird in Deutschland evangelische Kirchen bauen und in Israel die Knesset entwerfen“, heißt es im Ausstellungskatalog. 1933 emigriert er nach Palästina, ist Zeuge der israelischen Staatsgründung 1948. Doch auch in Israel steht das Werk Ossip Klarweins noch vor der Aufarbeitung, obwohl er etliche große Projekte realisieren konnte, darunter Büro- und Privathäuser, das (vom Abriss bedrohte) Dagon Silo im Hafen von Haifa, den Busbahnhof von Jerusalem und selbst das Grabmal von Theodor Herzl. Vieles davon ist längst abgerissen oder stark verändert, und so ist der russisch-polnische Deutsch-Israeli Ossip Klarwein um ein Haar in Vergessenheit geraten, trotz weit über 100 vollendeter Gebäude. (db, 19.7.25)
Berlin, Kirche am Hohenzollernplatz (Bild: Jorge Pérez de Lara, CC BY-SA 4.0)

