Die Postmoderne entfaltete im frischkapitalistischen Polen der 1990er Jahre eine ungeahnte Kraft: Es entstanden repräsentative Bauten wie die Warschauer Universitätsbibliothek, die Philharmonie in Łódź oder die Heiliggeistkirche (Kościół Ducha Świętego) in Wrocław. Gemeinsam ist all diesen Gebäuden neben der postmodernen Formen- und Farbenvielfalt, dass sie von polnischen Architekten entworfen wurden – mit Blick auf benachbarte osteuropäische Länder und deren Repräsentativbauten aus dieser Zeit beileibe keine Selbstverständlichkeit. Doch ein mindestens genauso charakteristischer wie bekannter Bau wird nun abgerissen: Das Warenhaus Solpol in Wrocław, entworfen von Wojciech Jarząbek. Als erstes auf private Inititative errichtetes Einkaufszentrum Wrocławs stand es wohl noch plakativer als die genannten Bauten für den politischen und vor allem für den wirtschaftlichen Wandel Polens. Die enge bautypologische Verbindung von Postmoderne und Konsum muss hier nicht eigens erläutert werden. Durch die Lage in der Altstadtstruktur kann das Solpol auch als symptomatisch für eine Form der „kritischen“ Rekonstruktion europäischer Innenstädte gelesen werden, die in eben dieser Zeit ihren Höhepunkt und bald auch Abschluss fand. Ab 1991 geplant und schon 1993 vollendet, reiht sich das Gebäude zudem als bislang letztes Beispiel in die reiche Tradition der Breslauer Warenhausarchitektur ein, die in den 1920er Jahren mit Erich Mendelsohns Kaufhaus Petersdorff einen Höhepunkt erlebte.

Ähnlich wie Mendelsohn fügte auch Jarząbek seinen nur 250 Meter von der 1920er-Ikone entfernten Bau in eine Ecksituation der Altstadt ein und überhöhte die als Haupteingang dienende Gebäude- und Blockecke, eben wie dieser, durch einen gläsernen Treppenturm. Dieser entsteigt einer rosa-violetten zweistöckigen “Krone”, die ein von türkisen Säulen bestandenes Eingangsportal aufnimmt. Der fünfgeschossige Warenhausbau ist größtenteils mit Keramikplatten in Gelb und Rosa sowie – in Anlehnung an die bauzeitliche Umgebung – einem dunklen Beige verkleidet. Hinzu kommen Stahlelemente der teilweise nach außen tretenden Fassadenkonstruktion in Violett und Türkis. Besonders auffällig sind die Treppenaufgänge des Gebäudes, die sich nicht (wie bei Mendelsohn) in besagtem Eckturm befinden, sondern risalitartig durch die Fassade gedrückt ausgeführt wurden. Denkmalschutzbemühungen lokaler Initiativen betonten schon 2009, als erste Abriss-Gerüchte aufkamen, den Wert des Solpol als einzigartiges Zeugnis einer wirren wie enthusiastischen Aufbruchszeit. Zahlreiche Unterstützer aus der Fachwelt kamen hinzu. Doch ehrenamtlich verfasste Denkmalgutachten, offene Briefe und Petitionen scheinen ergebnislos verhallt zu sein, die Denkmalschutzbehörde handelte nicht. Und so kommt nun der einstige Erbauer zum Zuge, der dieses offenkundige Denkmal nicht einmal 30 Jahre nach der Fertigstellung zugunsten eines neuen Bürobaus abreißen lässt. (fs, 7.4.22)

Wrocław, Warenhaus Solpol (Bild: Volens nolens kraplak, CC BY SA 4.0, 2015)

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