Die gebauten Spuren des Industrialisierung werden noch immer viel zu oft getilgt – in ehemaligen Frachthäfen stehen heute gerne schicke und teure Wohnbauten, Gleisgelände werden ebenso gerne mit Prachtstraßen (wie der Frankfurter Europallee) überbaut. Im Münchener Stadtteil Obersendling bahnt sich ein anderer Umgang mit den Relikten der einstigen Industriebetriebe an: Ein weit verzweigtes Gütergleisnetz durchzieht den Stadtteil. Die teils noch genutzten, überwiegend aber seit Jahren stillgelegten Schienen und Verladerampen verschwinden und verfallen zusehens. Nach dem Willen des Bezirksausschusses (BA) Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln sollen diese “Relikte einer prägenden Epoche” nun aber nicht einfach demontiert, sondern wirksam geschützt werden. Zum einen durch Aufnahme in die Schriftenreihe “Kulturgeschichtspfad” der Stadt München, zum anderen per Sichtung und Dokumentation durch das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege. Einen entsprechenden Antrag soll die Stadt stellen, forderte jetzt einhellig der Bezirksausschuss.
Zur möglichen Rettung der Bauten trug private Initiative bei: Ein Referat zum Thema Güterbahnanschluss Obersendlings (“Von Bochum bis zur heißen Hütte”) des Eisenbahnfreunds Jochen Gottlieb im Nachbarschaftstreff Südpark war Mitte Januar auf außergewöhnlich starkes öffentliches Interesse gestoßen. Die BA-Fraktion der Grünen nahm die große Resonanz nun zum Anlass, für den Schutz des Obersendlinger Industriegleisnetzes zu werben, weil es sonst “vollständig aus dem Stadtbild zu verschwinden” drohe. Wenigstens in einer Publikation sowie in einer denkmalpflegerischen Dokumentation sollten die historischen Gleisanlagen ihren Niederschlag finden. Die Grünen wissen sich in dieser Empfehlung einig mit der neu gegründeten “Geschichtswerkstatt Süd”, die mit dem Vortrag Jochen Gottliebs ihr Debüt als Veranstalterin gegeben hatte. (db, 25.3.23)
München-Obersendling, Hinweisschild (Bild: Jochen Gottlieb)
München-Obersendling, Tankwagen (Bild: Jochen Gottlieb)