Als wollte er mit Leipzig nichts zu tun haben, schirmt sich der Matthäikirchhof von der ihn umgebenden Innenstadt ab. Das Erdgeschoss bleibt fensterlos, denn in diesem raumgreifenden Betonbau war ab 1985 ein Teil des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi) samt Volkspolizei untergebracht. Nicht umsonst nannte man die Anlage hinter vorgehaltener Hand gerne “Ohrenburg”. Damit hatte man nur wenige Jahre vor der Maueröffnung eine geschichtsträchtige Brache in der Leipziger Altstadt neu besetzt. Bis die Ruine 1950 abgerissen wurde, stand hier die namensgebende Matthäikirche. Seit der deutschen Wiedervereinigung stehen Teile des Areals leer, teils wurden hier Funktionen der kommunalen Ämter untergebracht.
Die Fotografin Iona Dutz hat sich ab 2020, just in den Coronajahren, mit dem Matthäikirchhof auseinandergesetzt. Neben der künstlerischen Neugier gab hier auch die bevorstehende Umgestaltung des Areals den Ausschlag, den Betonbau sensibel zu dokumentieren. Denn Teile des Matthäikirchhofs zeigen inzwischen deutliche Spuren des langen Leerstands. 2022 entschied sich die Landesdenkmalpflege, keinen Schutzstatus auszusprechen. Über die Zukunft des Bestands wird aktuell noch diskutiert. Einig ist man sich, dass hier demokratische Inhalte in den Mittelpunkt werden sollen. Welches Verhältnis von Abriss und Neubau, von Großform und Kleinteiligkeit, von öffentlicher und privater Nutzung am Ende stehen wird, darf weiter spannend bleiben. Vor diesem Hintergrund versammelt das bei Sphere Publishers frisch erschienene Buch “Matthäikirchhof” nicht nur die Dutz-Fotografien, sondern ebenso vertiefende Textbeiträge von Uta Bretschneider, Arnold Bartetzky, Anke Hannemann und Anselm Hartinger. (kb, 8.4.23)