Das einstige Fiat-Werk in Turin Lingotto zählt zu den Ikonen der Industriearchitektur des 20. Jahrhunderts. Dazu beigetragen hat insbesondere die Teststrecke auf dem Dach des riesigen, 1923 in Betrieb genommenen Gebäudes. Bereits 1916 starteten die Arbeiten für den Stahlbetonbau, der nach Plänen von Giacomo Mattè Trucco (1869-1934) errichtet wurde. Selbst Le Corbusier geriet seinerzeit ins Schwärmen: “Die riesige Fiat-Fabrik, fünfhundert Meter Fassade, wo über fünf Geschosse Fenster, die kaum noch zu zählen sind, sich wie bei einem Gitter multiplizieren. (…) sieht aus wie ein Kriegsschiff und ist sicherlich einer der eindrucksvollsten von der Industrie produzierten Anblicke” schrieb er 1923 in seiner Zeitschrift L´Esprit Nouveau. Bis Ende der 1970er drehte jeder Pkw, der in Lingotto produziert wurde, hier eine Runde. 1982 hat der Fiat-Konzern den denkmalgeschützten Bau aufgegeben, in den Folgejahren wurde er nach Plänen von Renzo Piano umgebaut und beherbergt heute unter anderem Kultur- und Messehallen, ein Multiplexkino sowie ein Fünf-Sterne-Hotel.

Unberührt blieb über all die Jahre die legendäre Teststrecke, auch wenn sie zuletzt aus baulichen Gründen nicht mehr komplett befahren werden durfte. Doch immerhin so einige Oldtimertreffen und Rallyes führten noch aufs Dach des früheren Automobilwerks. Nun ist es damit vorbei, denn das Oval wird begrünt. Geplant hat dies Stefano Boeri, Schöpfer unter anderem der mit dem Internationalen Hochhauspreis dekorierten Bosco Vertcale in Mailand. Fiat-Chef Olivier François sagte Mitte Mai dazu, er sei „stolz darauf, dass in nur wenigen Monaten die Umwandlung der legendären Teststrecke auf dem Dach des ehemaligen Werks im Turiner Stadtteil Lingotto in den größten hängenden Garten Europas mit über 28.000 Pflanzen abgeschlossen sein wird. Dies ist ein großes, sinnvolles und einmal mehr nachhaltiges Projekt, das die Stadt Turin, die Heimat von Fiat, wiederbeleben wird.“ Unabhängig vom Nutzen einer wirksamen Stadtbegrünung werden diesen Stolz wohl dennoch nicht alle Automobilliebhaber und auch nicht alle Denkmalschützer teilen. (db, 25.6.21)

Turin, Werk Lingotto (Bild: Andreas Beyer)

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