Nicht nur in Lübecks Welktulturerbe-Altstadt, auch in den äußeren Bezirken zeichnet sich in diesen Monaten ein Umbruch ab. Im Stadtteil St. Jürgen sieht sich aktuell die evangelisch-lutherische Gemeinde gezwungen, ihren Gebäudebestand zu reduzieren. Die Gründe sind die altbekannten – zu wenig Mitglieder, zu wenig Geld. Neben anderen Immobilien sollen davon zwei Kirchen betroffen sein: die Kreuzkirche und St. Augustinus. Um mit dem jüngeren der beiden Nachkriegsbauten zu beginnen, verweist St. Augustin zurück in das ehrgeizige Kirchbauprogramm der schleswig-holsteinischen Kirche. Hier hatte man ab den 1960er Jahren in zwei Wettbewerbsphasen nach ebenso kostengünstigen wie qualitätvollen Lösungen gesucht, um die ländliche Regionen zwischen Hamburg und Schleswig mit Gottesdiensträumen zu versorgen. In Anlehnung an einen dieser prämierten Serienentwürfe des Architekten Gert Johannsen entstand 1972 St. Augustinus, der den Grundgedanken des Programms auf den Punkt bring: Gemeindearbeit und Gottesdienst unter einem Dach.
Nur ein Jahr vor St. Augustinus realisierte Friedhelm Grundmann, im Verlauf der Arbeiten gemeinsam mit seinen Büropartnern Otto Rehder und Friedhelm Zeuner, das Gemeindezentrum Kreuzkirche. Eigentlich war die zur Straßenbiegung hin aufsteigende Gebäudeecke nicht ausdrücklich als Turm gedacht (immerhin war man in der Zeit der schwellenlosen Gemeindezentrum), doch bis 1983 gestaltete der Bildhauer Hans Kock als Bekrönung ein fast floral emporwachsendes dreidimensionales Kreuz. Der Kirchenraum lebt von der betonplastischen Gestaltung der Fensterelemente und den starkfarbigen Prinzipalien, beides aus der Hand des Künstlers H.W. Peters. Noch ist offen, was nach der Entwidmung mit den beiden Räumen, mit der Kreuzkirche und St. Augustinus, geschehen soll. Für eine Umnutzung bieten sie eigentlich alle funktionalen Möglichkeiten an, solange ihre baukünstlerische Integrität dabei erhalten bliebe. (kb, 24.10.22)