Eine Zeitkapsel, ein fast unverändert überlieferter Bau, ist für Denkmalpfleger:innen ein Geschenk mit Widerhaken. Man freut sich über so viel originale Substanz, all die subtilen Details – und weiß im gleichen Atemzug, dass es so, genau so nicht wird erhalten bleiben können. Bei moderneREGIONAL beschreibt die Architekturhistorikerin Dina Dorothea Falbe ihre Übernachtung im “Rote Kloster”, in der ehemaligen Erfurter Parteischule, 2018 wie eine bittersüße Kindheitserinnerung. Hier begegnet sie nicht nur der Architektur, sondern auch den Möbeln ihrer Kindheit: “Die jahrzehntealten Materialien können ihr Alter nicht mehr verbergen, doch in meinen Augen sind sie so perfekt, wie nur etwas sein kann, mit dem man die vielleicht schönste Zeit seines Lebens verbindet.” Dennoch, oder gerade deswegen, diene dieser Ort als Mahnmal für all das Widersprüchliche des Ein-Parteien-Staats und als Hoffnungszeichen für eine demokratischere Zukunft.
Seit 2008 steht das ostmoderne Ensemble unter Denkmalschutz, als einzige in Gänze erhaltene SED-Bezirksparteischule. Diese Verbindung von Stahlbetonkonstruktion und Erfurter Wohnungplatte entstand von 1969 bis 1972 nach Entwürfen des Kollektivs um die Architekten Heinz Gebauer, Walter Schönfelder, Erich Neumann und Gottfried Mempel – mit einer Freiraumgestaltung von Hannelore Henze und reichlich baubezogener Kunst. Nach der Wiedervereinigung hatte das Land hier ein Gästehaus betrieben, dann gingen die Bauten 2012 an privat. Seit wenigen Wochen werden hier nun Zollbeamt:innen ausgebildet. Gestern führte der Denkmalpfleger Mark Escherich (im Rahmenprogramm zur Verleihung des DNK-Denkmalschutzpreises) durch die frisch sanierten Räume – moderneREGIONAL nutzte die Gelegenheit für einen fotografischen Abgleich zwischen 2018 und 2023. (kb, 8.11.23)
Die Fassade ist – links 2018, rechts 2023 – weiterhin unberührt, nur die Bodenplatten davor wurden erneuert (Bilder: links: Christopher Falbe (2018); rechts: Karin Berkemann (2023)
Die Wände zeigen bis heute ihre originalen Oberflächen – links Tapete, rechts ein Detail des Foyer-Wandbilds (Bilder: Karin Berkemann, 2023)
Grafische Muster im Raumtrenner und fantasievolle Details an den Leuchten sollten wohnliche Atmosphäre zaubern (Bild: Karin Berkemann, 2023)
Die Pflanzinsel ist unverändert, nur fehlen 2023 die Pflanzen (Bilder: links: Christopher Falbe (2018); rechts: Karin Berkemann (2023)
Grafische Muster an Wänden, Decken und Leuchten (Bild: Karin Berkemann, 2023)
2018 waren die ursprünglich in Weiß gehaltenen Rundstützen noch rot gefasst – und 2023 ist der Uhr ihr Zahlenkranz abhandengekommen (Bilder: Christopher Falbe (2018), Karin Berkemann (2023)
Inzwischen zeigen sich die Rundstützen wieder in Weiß – und im Keller gibt es ein Notstromaggregat zu bestaunen (Bilder: Karin Berkemann, 2023)
Die Klappsitze wurden originalgetreu aufgearbeitet – für Prüfungen gibt es heute eigens gezimmerte Aufsätze (Bild: Karin Berkemann, 2023)
Mark Escherich führt durch Geschichte und denkmalpflegerische Details – und in den Ecken gibt es immer wieder Zeugen der DDR-Zeit zu entdecken (Bild: Karin Berkemann, 2023)