Die Protestant:innen sind es leid, nur vom Verlust zu sprechen. Statt Abriss lautete das Motto des 30. Kirchbautags, der an diesem Wochenende Theolog:innen, Architekt:innen und Künstler:innen in Köln zusammenführte: “Mut baut Zukunft”. Natürlich, so viel musste man in den zahlreichen Führungen, Workshops und Podien zugeben, treten immer noch viele aus der Kirche aus. Und natürlich, irgendwie ist es schon schade, dass man auch Kirchenbauten aufgeben muss. Aber beten könne man notfalls auch im Wald, und jede Generation brauche die Möglichkeit, eigene religiöse Räume zu gestalten. Entsprechend stand nicht die Frage im Mittelpunkt, ob die Gemeinden ihre Bauten loslassen sollen, sondern wie.

Overath, Willkommenskirche (Bild: Karin Berkemann, 2022)

Overath, Willkommenskirche, Exkursion zum Kirchbautag (Bild: Karin Berkemann, 2022)

Aus zwei mach’ zweieinhalb

Eines der vorgezeigten Mutmachbeispiele liegt in Overath. Hier sah sich die evangelische Gemeinde gezwungen, ihre beiden Kirchen aufzugeben. Eine davon, die 1965 fertiggestellte Friedenskirche, wurde an eine freikirchliche Gemeinschaft verkauft. Mit dem zweiten Standort war es komplizierter, denn dort stand eine Bartning-Notkirche. Der hölzerne Systembau von 1951, ein Gemeindezentrum “Typ D”, wurde eigentlich geliebt. Aber er schien nun zu klein (an Ostern und Weihnachten) – und irgendwie wollte man lieber unbelastet neu anfangen. Bei einer Führung durch den bestehenden Bau ergab sich im Gespräch, dass das LVR-Freilichtmuseum Kommern einen neuen Schwerpunkt ausbildete, den „Marktplatz Rheinland“. Bis 2019 wurde die Overather Bartning-Kirche nach Kommern versetzt und stattdessen vor Ort neu gebaut.

In Overath entstand bis 2021 die Willkommenskirche, die in den Details an ihren Vorgänger erinnert: viel Holz, klappbare Wände, multifunktional. Neu war der erklärte Wille, etwas feierliche Stimmung einziehen zu lassen, so wie in der verlorenen Friedenskirche. Sogar von “sakral”, für rheinische Protestant:innen eine ungewohnte Vokabel, war die Rede. Was außen nun als schwarzer Zylinder daherkommt, wirkt im Inneren mit weiß “gepuderten” Holzoberflächen und großen Klarglasfenstern lichtdurchflutet. Wie ein Schornstein (“die Gebete müssen nach draußen”) zieht eine Laterne den Blick nach oben. Hinter dem beweglich gehaltenen Altar lässt sich eine Nische abtrennen. Doch meist bleibt sie, so das Schicksal aller Faltwände, offen und bildet eine unbestimmte Freizone – die Gemeinde nennt sie liebevoll ihre “Sakralecke”.

Overath, Willkommenskirche (Bild: Karin Berkemann, 2022)

Overath, Willkommenskirche, Exkursion zum Kirchbautag (Bild: Karin Berkemann, 2022)

Mut im Relaunch

Die meisten der anderen “Mutmachbeispiele” waren mal offen kommunizierte, mal verschämt in die Fußnoten verbannte Abrissgeschichten: alle bestehenden Kirchen niederlegen, eine neu bauen. Das sei ökologischer (weil gedämmt) und pastoral besser (weil dann alle gleichermaßen etwas aufgeben müssen). Von der aktuellen Debatte um graue Energie, vom Wert der eigenen Wurzeln, von der Schönheit gewachsener Bauten war in Köln nichts zu spüren. Es wurde laut gepfiffen im sakralen Wald – aber beeindruckend war die große Offenheit, mit der sich die Gemeinden vor Ort den Gesprächen untereinander und mit den zugereisten Expert:innen stellten.

Insgesamt ist der Kirchbautag schicker geworden. Zugegeben, die jeweils speziell gestaltete Stofftasche, das Ticket am Schlüsselband in der Veranstaltungsfarbe, all dies gehört bei dieser Fachtagungen schon lange zum Gemeinschaftsgefühl irgendwo zwischen Kirchentag und Architekt:innenfortbildung. Aber in diesem Jahr war der fast zwanghafte Wille zu spüren, ein glänzendes Bild der eigenen Zukunft an die wärmegedämmten Wände zu zeichnen. Wie hatte es der Pfarrer der Overather Kirche mit Augenzwinkern gesagt? Bei Gottesdiensten bitte er darum, nicht zu fotografieren, das vertreibe sonst die Engel. Während des Kirchbautags waren sie, so scheint es, zwischendurch eine rauchen. (kb, 12.9.22)

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