nach einem Vortrag von Berthold Burkhardt (20/1)

Als das Arbeitsamt in Dessau 1929 errichtet wurde, war es ein völlig neuer Gebäudetyp des industriellen Zeitalters. Es wirkte wie ein Ufo in bürgerlicher Umgebung. Denn dieser Bau von Walter Gropius war architektonisch und technologisch etwas ganz Neues. Aber natürlich gab es hinter gründerzeitlichen Fassaden ebenfalls viel moderne Technologie – von Elektrizität bis Zentralheizung. Der Kontrast ist in der Architektursprache eklatant, unter anderen Gesichtspunkten jedoch weniger.

Dessau, Arbeitsamt (Bild: M_H.de, GFDL/CC BY SA 3.0, 2009)

Veränderungen

In der Geschichte des Arbeitsamtes gab es drei massive Veränderungen: Einmal brach man zur NS-Zeit 1936 Fenster in die runde Umfassungsmauer. Vor diesem Hintergrund wurde vor der Sanierung intensiv diskutiert, wie mit den Fensteröffnungen umzugehen sei. Die Holzelemente waren noch im Zustand von 1936 gut erhalten. Letztlich hat das Argument entschieden, dass die dahinterliegenden Zimmer als Arbeitsräume heute auch Fenster benötigen.

Dessau, Arbeitsamt (Bild: Stiftung Bauhaus Dessau, Foto: Nathalie Wächter)

Dessau, Arbeitsamt (Bild: Stiftung Bauhaus Dessau, Foto: Nathalie Wächter)

Die zweite wichtige bauliche Veränderung betrifft die Außenanlagen. Hier wurde eine Umgehungsstraße angelegt und direkt hinter dem Arbeitsamt ein Plattenbau aufgerichtet. DDR-Moderne und klassische Moderne treffen aufeinander – das kann man interessant finden oder als Konflikt wahrnehmen. Drittens wird das Gebäude heute als Straßenverkehrsamt genutzt – immerhin auch eine öffentliche Nutzung mit Publikumsverkehr.

Hinter der Fassade

In den 1920er/1930er Jahren galt Stahlbau als hochmodern. Jedoch wurde das Material damals noch nicht offen gezeigt, sondern durch Mauerwerk und Putz ummantelt bzw. hinter der Fassade verborgen – so auch beim Arbeitsamt. Eine Besonderheit lag in den gebogenen Trägern, die aus der Waggonfabrik in Dessau kamen.

Durch die Fassade des Arbeitsamtes zogen sich vor der Sanierung feine Haarrisse, hinter denen die Stahlprofile verliefen. Diese waren im Laufe der Zeit gerostet, hatten dadurch ihr Volumen vergrößert und ganze Steinschichten nach außen geschoben hat. Hätte man bei der Sanierung jeden schadhaften Stahl freigelegt, hätte man die Wände abreißen und wieder neu aufbauen müssen. Stattdessen wurden die Schadstellen so weit als drängend nötig geöffnet, die verrosteten Stellen im Duplex-Verfahren gestrichen und alles wieder mit einem gelben Ziegel geschlossen. Diese handgefertigten Steine stammen aus einer kleinen regionalen Firma.

Licht und Luft

Eigentlich weist der Rundbau des Arbeitsamtes keine Belichtung auf – außer den Oberlichtern. Diese Entscheidung traf Gropius nicht aus architektonischen, sondern aus pragmatischen Gründen. So sollten die Arbeitssuchenden nicht ständig durch die Fenster hindurch gesehen und abgelenkt werden. Bei den Oberlichtern entschied man sich damals für eine Einfachverglasung, die heute wärmetechnisch Kopfzerbrechen bereitet. Als weitere Quelle für indirektes Tageslicht dienten Sheds auf dem Rundbau aus einfachem Drahtglas.

Bei der Sanierung wurde die horizontale Glasdecke im Rundbau in eine Klima- bzw Isolierebene umgewandelt, indem das zu ersetzende Riffelglas mit einer Scheibe aus Sicherheitsglas ergänzt wurde. Dadurch konnte die heutige Vorschrift nach einer sicheren Überkopfverglasung erfüllt werden. Gleichzeitig konnten die originalen Sheds erhalten werden. Das bauzeitliche beliebte prismatische Luxfer-Riffelglas wirkt sich günstig für eine gleichmäßige Lichtstreuung aus.

Dessau, Arbeitsamt (Bild: Stiftung Bauhaus Dessau, Foto: Thomas Meyer, Ostkreuz)

Dessau, Arbeitsamt (Bild: Stiftung Bauhaus Dessau, Foto: Thomas Meyer, Ostkreuz)

Da Gropius die Wände jeweils über den Türen enden ließ, können sich die Räume gegenseitig Licht spenden. Die gefliesten Wände sind wie die Fußböden mit Terrazzo erhalten. So wollte man eine leicht zu säubernde Oberfläche schaffen, wenn Arbeiter in ihrer Kluft zur Beratung kamen. Die hellen Fliesen waren übrigens dasselbe Modell, das auch bei der Berliner U-Bahn zum Einsatz kam. Nur die Räume der Mitarbeiter wurden verputzt. Die Belüftung der Räume wurde durch ein mechanisches System durch Klappen in der Lichtdecke und in den Sheds gewährleistet. Heute könnte man das Problem ähnlich lösen, würde dann aber auf Motor und Funksteuerung zurückgreifen. Warmluft wurde über eine Heizanlage mit Kohlebetrieb erzeugt, die heute nicht mehr vorhanden ist. In allen radialen Achsen wurden Röhren im Keller oder im Erdreich verbaut, durch die man frische angewärmte Luft in die hohlen Stützen pressen und über das Klappensystem wieder entfernen konnte. Die mechanische historische Lüftungsanlage wurde bei der Sanierung wieder in Betrieb genommen.

Die Belüftung der Räume wurde jeweils durch eine Klappe gewährleistet, die über ein mechanisches System die Verbindung zur Dachebene herstellte. Heute könnte man das Problem ähnlich lösen, würde dann aber auf Motor und Funksteuerung zurückgreifen. Warmluft wurde über eine Heizanlage mit Kohlenbetrieb erzeugt, die heute nicht mehr vorhanden ist. In allen radialen Achsen wurden Röhren im Keller oder im Erdreich verbaut, durch die man frische angewärmte Luft in die hohlen Stützen pressen und über das Klappensystem wieder entfernen konnte. Die historische Lüftungsanlage wurde bei der Sanierung wieder in Betrieb genommen.

Fensterlos bunt

Nach historischen Fotografien konnten die Original-Lampen nachgekauft werden: Bauhaus-Kugelleuchten von Marianne Brandt. Um den heutigen Vorschriften zu entsprechen, wurde eine Zusatzbeleuchtung oberhalb der Lichtdecke angebracht. So lassen sich die Kugelleuchten bei Bedarf – z. B. um die Verhältnisse der 1920er Jahre nachzuempfinden – separat einschalten. Kleine technische Novitäten waren damals die Gropius-Klinken und ein kleines Rechteck in der Fliesenwand, in dem der Sachbearbeiter den Text „bitte warten“ oder „bitte eintreten“ einschalten konnte.

Dessau, Arbeitsamt (Bildquelle: Peter Kühn im Auftrag der Stadt Dessau)

Das Raumprogramm sah verschiedene Funktionsbereiche vor. Unter anderen einen Beratungsraum und einen Raum, in dem Arbeitgeber Stellen anboten. Gleich nach der Eröffnung des Arbeitsamtes gab es seitens der Mitarbeiter Unmut wegen der fehlenden Fenster. Mit verschiedenen Farbanstrichen jedes Mitarbeiterraums versuchte man zunächst die Beschwerden zu mildern. Die Türen waren ursprünglich beschriftet, nach Berufsgruppen – jede von ihnen hatte einen eigenen Eingang.

Sichtbar machen

Bei der Sanierung mussten die Stahlbeton-Vordächer gefestigt werden. Dafür legte man deren Eindeckung frei und brachte eine Textilbewehrung auf. So ließ sich viel Originalsubstanz erhalten. Ähnlich ging man auch bei den Fenstern von 1936 vor: Nach außen sieht man sauber gemauerte Gewände und Gesimse, im Inneren wurde bei den Durchbrüchen viele Fliesen beschädigt.  Diese Anschlussstellen wurden bei der Sanierung sichtbar belassen, um auf die Veränderung während der NS-Zeit hinzuweisen. Die Außenfenster konnten entlang der vorhandenen Stahlprofile ohne weiteres durch dünnes Isolierglas ersetzt werden. Am Verwaltungstrakt hingegen hat man Kastenfenster ausgebildet, um beiden Ansprüchen zu entsprechen: Möglichst viel Originalsubstanz zu erhalten und einen möglichst hohen Nutzungskomfort zu erreichen.

Dessau, Arbeitsamt (Bild: Berthold Burkhardt)

Dessau, Arbeitsamt (Bild: Berthold Burkhardt)

Dessau, Arbeitsamt (Bild: Berthold Burkhardt)

Dessau, Arbeitsamt (Bild: Berthold Burkhardt)

Dessau, Arbeitsamt (Bildquelle: Berthold Burkhardt)

Dessau, Arbeitsamt (Bild: Berthold Burkhardt)

Dessau, Arbeitsamt (Bild: Peter Kühn im Auftrag der Stadt Dessau)

Titelmotiv/Rundgang: Dessau, Arbeitsamt (Bilder: Außenaufnahmen: Berthold Burkhardt, Innenaufnahmen: Peter Kühn im Auftrag der Stadt Dessau, Bildquelle Grundriss: Berthold Burkhard)



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