von Till Schauen (22/1)

Welch elektrisierender Moment: Die Guten sind überrannt, die Bösen räumen auf, der Dunst der Schlacht hängt in den Korridoren, da erscheint mit dräuender Fanfare diese tiefschwarze Gestalt. Darth Vaders Schritt in die Welt 1977 war großartig. Wir sahen ihn und wussten, für was er steht. Das ist der Idealfall der Corporate Identity (CI): sehen und begreifen im selben Moment. Das finstere Imperium aus “Star Wars” illustriert sein Tun und Streben in voller Plastizität, das zeigt sich in Sound, Größe und Form seiner Raumkreuzer. Es kommt ohne Abzeichen aus, denn wozu braucht man ein Logo, ein Unterscheidungssymbol, wenn man die Galaxis beherrscht? Nun ja. Mangels Totalherrschaft sind Unternehmen und Gesellschaften, die sich inmitten realer Konkurrenten behaupten müssen, auf eine weniger brachiale Außendarstellung angewiesen. Dennoch, alles soll zusammen passen: Logo, Erscheinung der Mitarbeiter:innen, Online-Auftritte und Hardware sollten ein harmonisches Ganzes ergeben, sodass beim Publikum der Anblick eines einzelnen Elements den gesamten Katalog an Assoziationen öffnet. Eine gelungene CI soll dabei nicht die Wirklichkeit einer Körperschaft (zum Beispiel eines Konzerns) abbilden, sondern davon ablenken: „Wir zeigen euch, wie ihr uns wahrnehmen sollt. Sobald ihr das kapiert habt, können wir euch versichern: So wie ihr uns wahrnehmt, so sind wir auch.“ Die Grundidee der CI verlangt einen Gedanken-Salto von ausgeprägter Artistik. Wer den meistert, kann reichen Lohn einfahren.

Star Wars, Jedi (Bild: Mirko Toller, CC BY 2.0, via flickr)

Zeichenkunde

Einfach ist das nicht. Um ein ideales Bild abzugeben, müssen Elemente zusammengeführt werden, deren Wahrnehmung sich auf unterschiedlichen Ebenen abspielt: Gebäude und Fahrzeuge wirken anders als Webseiten oder Uniformen, und dann müssen auch noch die Produkte darauf abgestimmt werden. Ein solch in sich geschlossener Auftritt entsteht nicht nebenbei. Er ist gleichwohl notwendig. Identität basiert auf Abgrenzung, sie etabliert ein „Wir“ im Kontrast zu „Die Anderen“, was sie zu einem zentralen Instrument im kapitalistischen Wettbewerb macht.

Daher ist ein Logo wichtig für alle, die noch nicht die Galaxis beherrschen. Wahrzeichen gibt es schon lange, aus dem Lateinunterricht kennen wir die Buchstaben SPQR des Römischen Reiches. Als Erfinderin des neuzeitlichen Logos gilt die Vereenigde Oostindische Compagnie, die ihr Siegel im 17. Jahrhundert zum Emblem ausbaute. Akustische Erkennungsmerkmale sind etwas jünger, da wirkte Richard Wagner wegweisend mit seinen Leitmotiven. So eines ist heute unentbehrlich für Kino-Blockbuster – wer könnte nicht aus dem Stegreif die Bond-Signatur summen? Aus Leitmotiven verdichtete sich das klingende Gegenstück des Logos, der Jingle. Wie tönt zum Beispiel die Telekom? Sie wissen’s. Gebäude sind vermutlich die älteste Form einer CI: Pyramiden, Paläste und Burgen machen klare Ansagen über ihre Erbauer:innen und Insass:innen. Kein Wunder, dass mit der industriellen Revolution Fabriken auf Briefköpfen erschienen, gerne mit rauchendem Schornstein: Seht, wir sind ausgedehnt und fleißig!

Dresden, Yenidze-Fabrik (Bild: Gürgi, CC0, 2008)

Markenimage

Wenn ein Gebäude mehr ausdrücken sollte als reine Betriebsamkeit, war Nachdenken gefragt und schon damals eine sorgfältige Wahl der Mittel. Die Yenidze-„Tabakmoschee“ (1908/09, Martin Heinrich Hammitzsch) brachte ein Exotenflair ins Dresdner Stadtbild, das sonst den Zigarrenkisten vorbehalten war, während Peter Behrens’ Arbeiten für die AEG nicht nur die Architektur für Werkshallen neu ausrichtete, sondern zugleich über das Produktdesign gezielt ein Markenimage schuf. Neue Werkstoffe gaben der Entwicklung nochmals Impulse – das Dessauer Bauhaus (1925/26) bringt auf den Punkt, für welche Ideen es eintritt. Noch besser trifft es der „Vierzylinder“ der Münchner BMW-Zentrale, errichtet 1968 bis 1972 nach Plänen von Karl Schwanzer. Dieses Haus bringt Image, Selbstbild und Produkt perfekt zur Deckung, selbst das Logo kann man darin entdecken. Bis heute ansehnlich, technisch interessant – nicht nur nach Marketing-Gesichtspunkten ist dieses Hochhaus ein Meilenstein.

Abstrakte Konzepte derart sinnfällig in eine Form zu gießen, ist ein Kniff, der Daimler-Benz nie gelang – womöglich, weil diese Gesellschaft es nicht nötig fand. Ihren Anspruch auf Qualität und Präzision baute sie sich aus der Weltwirtschaftskrise heraus auf; Methoden, Produkt und Image bildeten bis in die 1970er ein harmonisches Ganzes, von dem die Daimler AG bis heute zehrt. Auch das ist eine Ausnahme. Eine CI tritt nur sehr selten so deutlich aus einem technisch-handwerklichen Ideal hervor, dass man es der Öffentlichkeit nicht erklären muss. Aber beide Beispiele (die perfekte Umsetzung bei BMW ebenso wie die Leerstelle bei Daimler-Benz) zeigen, dass eine CI gezielt entwickelt werden will. Je umfassender sie ist, desto wirksamer – in ihrem Versuch, die Wirklichkeit zu definieren, hat sie einen Hang zum Totalitären. Nicht zufällig gehört zu Darth Vaders Gewand ein Element aus dem Zeichenkatalog des Dritten Reiches, das den historisch ersten Versuch einer wirklich umfassenden CI machte. Nationalsozialistische Architektur versuchte, unterschiedliche Baugattungen einem Katalog völkisch-trutzig-imperialer Leitmotive anzupassen.

Berlin, Reichsluftfahrtministerium (Bild: Bundesarchiv Bild 146-1979-074-36A, CC BY SA 3.0, 1938)

NS-CI

Einige Beispiele für Bauten nach NS-CI sind erhalten: Ein Besuch auf der Ordensburg Vogelsang in der Eifel vermittelt eine klare Vorstellung vom Welt- und Menschenbild des Dritten Reichs. In dieser Konsequenz fand sich das später nur in der Popkultur, beim Regierungsgebäude der Megacity One aus dem Judge-Dredd-Comic-Universum (ab 1977) zum Beispiel sind Form, Inhalt und Anspruch deckungsgleich. Die belgischen Comic-Helden Spirou und Fantasio bekommen es gelegentlich mit dem Superschurken Zorglub (auf Deutsch: Zyklotrop) zu tun. Der Bursche strebt die Weltherrschaft an und fährt zu diesem Zweck ein Arsenal durchgestylter Geräte und Helfershelfer auf. Immer ist auf Anhieb zu erkennen, wer da zugange ist – Faschismus und Moderne mischen sich hier deutlich, an Zorglub zeigt sich, dass eine eskalierende CI ins Groteske kippen kann. Ordensschwere Obristensakkos sind nicht mit General Franco abgetreten, nicht einmal mit dem 20. Jahrhundert, obwohl das ihre Epoche war.

Eine tragfähige CI braucht heute eine Zutat, die die Sache nochmal extra-kompliziert macht: Bescheidenheit. Bro, deine Allmachtsphantasien halten nicht den Vibe Check, Digga! Auch das kann ins Auge gehen. Als die Klopsbraterei McDonalds 2009 ihren genialen Doppelbogen vor grünen statt roten Hintergrund stellte, war das platte Anbiederung an das, was man für einen europäischen Ökotrend hielt. Noch schlimmer, es erschließt sich nicht. Das ist der GAU eines durchgestalteten kommerziellen Auftritts: erklären zu müssen, was er bedeutet. In diesem speziellen Fall ist es egal, das Publikum bestellt achselzuckend seine Pommes und ignoriert die wortreichen Aushänge zu Tierwohl und Umweltschutz.

Frankfurt, Deutsche Bank (Bild: Nordenfan, CC BY SA 4.0, 2014)

Allmachtsfantasien

Die Zwillingstürme der Deutschen Bank derweil sind nicht absichtlich, sondern durch äußere Zuschreibung zum ikonischen Bankgebäude schlechthin geworden. Dass Allmachtsfantasien heute schlecht zu verkaufen sind, bedeutet natürlich nicht, dass man sie ablegen muss. Man stellt sie halt zurück hinter sehr gute Produkte, dann klappt das auch. Solche wirklich guten Produkte kann die klassische Industrie des 20. Jahrhunderts nicht mehr liefern, was sich unter anderem im Dieselskandal ausdrückte. Perfekte Produkte entstehen jetzt im Silicon Valley, dort gelingen die einzig wirklich überzeugenden CI-Konzepte unserer Zeit. Dass die großen Tech-Unternehmen nichts weniger anstreben als totale Kontrolle ihrer Nutzer:innen, ist kein Geheimnis. Es interessiert halt kaum jemanden. Viel wichtiger sind der Amazon-Smiley auf dem Karton oder Apples quasi-religiöse Heilsbotschaft. Das trägt weit. Das Googleplex in Kalifornien illustriert, wie CI heute geht: bunt, verspielt, ein grünes „Campus“, transparente Fassaden. Natürlich, die Gebäude wurden Mitte der 1990er gebaut, als die Firmengründer noch in der sprichwörtlichen Garage hockten, aber Google verwandelte sich den Komplex 2003 bis 2005 zielsicher an und formte eine intellektuell-verspielte Erlebnis-Kreativlandschaft. Das gewünschte wie gesendete Signal ist maximale Glaubwürdigkeit. Die Machtinstrumente bleiben tief verborgen, sie sind nicht spürbar. Darth Vader? Wie steinzeitlich (murmelt das grüne Männchen und wackelt mit den Ohren). Google wir sind, mit uns die Macht ist, und nur mit uns.

München, BMW-Hochhaus (Bild: BMW Group, frühe 1970er Jahre)

Titelmotiv: München, BMW-Hochhaus (Bild: BMW Group, frühe 1970er Jahre)

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Bonus-Beitrag

Inhalt

LEITARTIKEL: Der Hang zum Gesamtkunstwerk

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Till Schauen über die Kunst der Selbstdarstellung.

FACHBEITRAG: Was läuft bei VW?

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Daniel Bartetzko über die Selbstdarstellung eines Weltkonzerns.

FACHBEITRAG: "Wertkauf hilft sparen!"

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Peter Liptau über eine Discounter-Idee der 1960er Jahre.

FACHBEITRAG: Die Warenhäuser der DDR

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Tobias M. Wolf über eine ostmoderne Bautypologie als CI.

PORTRÄT: System Kirche

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Karin Berkemann über ein Betonzelt in Serie.

INTERVIEW: "Wir würden selbst einziehen!"

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Das Quelle-Fertighaus im Freilichtmuseum am Kiekeberg – Zofia Durda, Theda Pahl und Stefan Zimmermann im Gespräch.

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Ein Bilder-Rundgang durch die gelb-rote Welt von Maggi.

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