von Nini Palavandishvili (22/3)

Auch wenn sie Namen wie Muschel, Elefant, Katze oder Oktopus tragen, ihre Formen sind eher abstrakt biomorph. In einem Interview mit einem Mitarbeiter des Architekten Giorgi Chakhava erwähnte sein Berufskollege Goga Beridze: Nach seiner Italienreise war Chakhava von den Konstruktionen des dortigen Bauingenieurs Pier Luigi Nervi und dessen Technik tief beeindruckt. Zurück in Georgien suchte er in den 1970er Jahren nach Projekten, die eine solche “ungewöhnliche Architektur” darstellen könnten. Daraufhin schuf er mit Mosaiken verkleidete, dünnwandige Pavillons, wie es sie so wohl nur in Georgien gibt. Der deutsche Architekturforscher Wolfgang Kil beschrieb Chakhavas Entwürfe 1979 als “hybride Gebilde, die Architektur, Skulptur und Malerei vermischen”.

Fisch, Buspavillon bei Gagra (Architekten: Giorgi Chakhava und Zurab Jalaghania, Künstler: Nodar Malazonia, Zurab Kapanadze und Zurab Lezhava, 1970er Jahre) (Bild: Familienarchiv Giorgi Chakhava)

Witzig mit Mosaik

Diese Pavillons, die in Abchasien liegen, sind eher klein und bescheiden in ihrer Farbpalette – die meisten von ihnen zeigen nur zwei oder drei Töne, der Akzent liegt stattdessen auf ihrer Form und der grafischen Komposition des Mosaiks. Vor dem Hintergrund des blauen Meers und des Himmels heben sie sich durch ihre witzigen verspielten Formen deutlich ab. Alle Pavillons, die als Buspavillons dienten, haben in den vergangenen Jahren ihre Funktion verloren. Sie sind verlassen, vernachlässigt, einer fiel gar einem Autounfall zum Opfer. Nicht zuletzt nagen das Wetter und die Zeit an ihnen.

Buspavillon “Der Elefant” an der Autobahn nach Pizunda (Architekten: Giorgi Chachava und Zurab Jalaghania, Künstler: Nodar Malazonia, Zurab Kapanadze und Zurab Lezhava, 1970er Jahre) (Bild: historische Abbildungen)

Der Elefant, Buspavillon an der Autobahn nach Bichvinta (Architekten: Giorgi Chakhava und Zurab Jalaghania, Künstler: Nodar Malazonia, Zurab Kapanadze und Zurab Lezhava, 1970er Jahre) (Bild: Familienarchiv Giorgi Chakhava)

Abkühlung durch Meerestiere

Das Café Fantasia in Batumi (1980), das auch als Oktopus bekannt ist, bildet einen Höhepunkt dieser dünnen Schalenformen. Seine Größe von 250 Quadratmetern übersteigt die von Bushaltestellen, außerdem zeichnet sich seine künstlerische Komposition durch Komplexität aus. Abgebildet ist ein Tintenfisch, der von Meeresbewohnern umgeben ist – Fischen, Delfinen, Seepferdchen, Aalen usw. Die Gestaltung zieht durch ihre Form und Zeichnung sofort die Aufmerksamkeit auf sich, fügt sich aber gleichzeitig harmonisch in die Umgebung ein. In die Konstruktion wurde ein System zur Verteilung von kaltem Wasser eingebaut. An heißen Sommertagen kühlte die Flüssigkeit, die von den auf dem Oktopus sitzenden Meerestieren versprüht wurde, die Oberfläche des Pavillons und seine Umgebung.

Cafe “Fantasia” am Boulevard nach Batumi (Architekten: Giorgi Chachava und Zurab Jalaghania, Künstler: Zurab Kapanadze, 1980) (Bild: historische Abbildung)

Fantasia, Café am Boulevard von Batumi (Architekten: Giorgi Chakhava und Zurab Jalaghania, Künstler: Zurab Kapanadze, 1980) (Bild: Familienarchiv Giorgi Chakhava)

Rettung per Petition

In den späten 1990er Jahren wurde der Oktopus in Batumi fast aufgegeben, sein Zustand verschlechterte sich zunehmend. Es folgten mehrere erfolglose Versuche, das Café als Kulturdenkmal zu registrieren. 2014 kam der Wendepunkt, als der Abriss des Gebäudes drohte. Doch durch Proteste und Petitionen gelang es der georgischen Bevölkerung, den Pavillon zu retten. 2017 beschloss die Stadtverwaltung von Batumi, mit der Restaurierung des Bauwerks zu beginnen. Finanziert durch den privaten Fond Cartu, wurde der Auftrag an ein Unternehmen vergeben, das keine rechte Erfahrung mit historischen Oberflächen hatte. Nach drei Jahren zeigte der Oktopus sein neues, verändertes Gesicht – die ursprünglichen Formen und das Design waren entstellt. Man hatte völlig neue Smalti-Steine verwendet, die sich in Größe und Farbe deutlich vom Original unterscheiden, und das Wasserkühlsystem wurde ganz abgeschafft. Obendrein wurde der neue Oktopus 2020 schließlich als Kulturdenkmal eingestuft – und entpuppt sich dabei heute mehr als Denkmal dafür, wie Restaurierungsarbeiten nicht durchgeführt werden sollten. 

Literatur

Palavandishvili, Nini/Prents, Lena, Art for Architecture. Georgia. Soviet modernist Mosaics from 1960 to 1990, Berlin 2019.

Kil, Wolfgang, Gebilde wie aus Träumen, in: Farbe und Raum 1979, 3, S. 16–17.

Buspavillon "Die Katze“ an der Autobahn nach Pizunda (Architekten: Giorgi Chachava und Zurab Jalaghania, Künstler: Nodar Malazonia, Zurab Kapanadze und Zurab Lezhava, 1970er Jahre (Bild: historische Abbildung)

Titelmotiv: Die Katze, Buspavillon an der Autobahn nach Bichvinta (Architekten: Giorgi Chakhava und Zurab Jalaghania, Künstler: Nodar Malazonia, Zurab Kapanadze und Zurab Lezhava, 1970er Jahre (Bild: Familienarchiv Giorgi Chakhava)



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Bonus-Beitrag

Inhalt

Das blaue M

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Svenja Hönig und Fabian Schmerbeck über die Zeiten, als ein Telefon noch ein Kabel und ein Dach hatte.

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Sophia Walk über den Kiosk der Stadtbücherei, geformt wie ein geöffnetes Buch.

Tina, Emma und ich

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Michael Grote über sein Stück Freiheit auf zwei Rädern.

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Nini Palavandishvili über abchasische Fantasiegebilde.

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