von Barbara Dechant (22/3)

Dieses große blaue M hatte ich schon ab den frühen 1990er Jahren beobachtet. Damals hingen rund 20 von ihnen an den Fassaden der S-Bahnbögen in der Rochstraße, nahe dem Alexanderplatz in Berlin-Mitte. Sie fassten den Platz vor dem Gebäude ein und markierten den Bereich, wo mit Waren gehandelt wurde. Über dem Haupteingang an der Karl-Liebknecht-Straße prangte ein solches überdimensionales Zeichen der “Berliner Markthalle”. Und genau so ein blaues M sollte später über Umwege zu uns, ins Berliner Buchstabenmuseum kommen.

M an der Fassade (Bild: © Buchstabenmuseum/Barbara Dechant)

Im Zeichen der Berliner Markthalle

Die Markthalle wurde 1883 als “Central-Markthalle” erbaut, mit der Neugestaltung der Berliner Mitte (Alexanderplatz) 1969 erweitert und umgebaut. Zu dieser Zeit entstand auch das blaue M, das neben den gebauten Buchstaben-Exponaten vor allem als Werbezeichen auf Prospekten und Plakaten seinen Einsatz fand. Auf dem Titelblatt des Infofolders zur Eröffnung des Kaufhauses stand neben dem M in fetter Helvetica: “Berliner Markthalle – Großes Selbstbedienungsobjekt für Waren des täglichen Bedarfs. Imbißgaststätte mit Hallenpanorama. Zentrum für Heimwerker und Siedlerbedarf.”

Gekennzeichnet wurde die Markthalle mit einem dreistrahligen extrabreiten Versal-M. Darauf ruht eine Raute, die von einer Art Dach schützend nach oben hin geschlossen wird. Das ganze Objekt ist sehr kraftvoll und grafisch gehalten und bildet in sich eine gestalterische Einheit – ein Logo, das als Zeichen für das moderne sozialistische Berlin stand. In den lamellenartigen Zwischenräumen glitzerten blaue und weiße Glasröhren, die nachts hell leuchteten.

Tüten (Bild: © Tobias Sadecki)

Einkaufstüte der Berliner Ackerhalle (links) und der Berliner Markthalle (rechts) (Bilder: © Tobias Sadecki/Cool Collection Berlin)

1990 kam das Aus

1990 kam das Aus für die Markthalle, doch als “Berlin Carré” überlebte das Gebäude weitere 23 Jahre. In dieser Zeit war auch unser Buchstabenmuseum darin beherbergt. Von 2010 bis 2015 konnten wir in der ersten Etage einen aufgegebenen Friseur- und Kosmetik-Salon zwischennutzen. Anschließend zogen wir in eine ehemalige Kaufhalle am Holzmarkt und danach weiter in die historischen S-Bahn-Bögen im Hansaviertel (Bellevue), wo sich unser Museum bis heute befindet. Dort hat auch das Markthallen-M seinen dauerhaften Ort gefunden.

Neben der Markthalle am Alexanderplatz gab es auch die Ackerhalle in der Ackerstraße (Ecke Invalidenstraße), welche von der Abteilung “Betriebshilfeeinrichtung Werbung” ein ähnlich anmutendes ein Logo erhielt: ein rotes A. Verantwortlich für das gesamte Werbematerial der Markthallen war ein Kollektiv – darunter der Grafiker Eckhard Leege, der vielleicht die typografischen “Verkettungselemente” gestaltet hat.

M in Museum (Bild: © Buchstabenmuseum/Hendrik Klünder)

M im Museum (Bild: © Buchstabenmuseum/Hendrik Klünder)

Nummer 18 lebt

Nach vielen Gesprächen hatten wir im Herbst 2008 endlich die Erlaubnis, den blauen Buchstaben zu demontieren. Wir stellten ein kräftiges Handwerker-Team zusammen und organisierten einen Transporter, um das letzte noch an der Fassade hängende M zu retten und in unsere Sammlung aufzunehmen. Am Vortag war ich noch einmal vor Ort, um den Aufwand besser einschätzen zu können. Ein Baugerüst stand rechts neben dem Buchstaben – wir wollten es nutzen, um unsere Arbeit etwas zu erleichtern. Als wir nächsten Morgen anrückten, war das M verschwunden. Irgendjemand musste es über Nacht gestohlen haben. Immerhin ist das Typo-Objekt 2 Meter hoch, 160 Zentimeter breit und wiegt über 60 Kilo.

Entmutigt standen wir an den S-Bahnbögen und fragten herum, ob jemand zufällig die Demontage gesehen hatte. So kamen wir ins Gespräch mit den Machern und Mitarbeiter:innen des benachbarten “DDR Motorradmuseums”. Es stellte sich heraus, dass im dortigen Keller ein weiteres M lagerte, das bereits vor Monaten von der Fassade genommen worden war. Diesen Buchstaben konnten wir in unsere Sammlung übernehmen – es ist das 18. Stück, das zu uns ins Museum kam. In der Zwischenzeit konnten wir über 3000 Typo-Objekte vor der Verschrottung retten und die Sammlung wächst stetig weiter. Aber das verloren geglaubte, blaue M ist bis heute unser liebstes Kleinod.

M in Museum (Bild: © Buchstabenmuseum/Hendrik Klünder)

M im Museum (Bild/Titelmotiv: © Buchstabenmuseum/Hendrik Klünder)



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Bonus-Beitrag

Inhalt

Das blaue M

Das blaue M

Barbara Dechant über einen letzten Zeugen der “Berliner Markthalle”.

Die Telefonzelle

Die Telefonzelle

Svenja Hönig und Fabian Schmerbeck über die Zeiten, als ein Telefon noch ein Kabel und ein Dach hatte.

Die Bröselmühle

Die Bröselmühle

Sophia Walk über den Kiosk der Stadtbücherei, geformt wie ein geöffnetes Buch.

Tina, Emma und ich

Tina, Emma und ich

Michael Grote über sein Stück Freiheit auf zwei Rädern.

Die Rathaustasse

Die Rathaustasse

Cordula Schulze über das Souvenir eines 40. Geburtstags.

Die Tier-Pavillons

Die Tier-Pavillons

Nini Palavandishvili über abchasische Fantasiegebilde.

Die Dreibein-Leselampe

Die Dreibein-Leselampe

Martin Turck über einen seltenen Designklassiker.

Das Schmetterlingsdach

Das Schmetterlingsdach

Mark Meusel über Haus Paepke im hessischen Carlsdorf.

Die Altstadt-Laterne

Die Altstadt-Laterne

Karin Berkemann über eine bemerkenswerte Zutat der Greifswalder Altstadtplatte.

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